Von dicken Kartoffeln und dicken Brettern

Es ist der Abend des 8.1.2024. Und ich bin gerade mega angepisst von den Bauern. Zum einen dieses Chaos und die offene rechte Flanke, nur um die egoistischen Forderungen von Großgrundbesitzern erfüllt zu bekommen. Und jetzt noch das Video zu Bio-Eiern von zdf besser-esser gesehen.

Dieses Gestänker gegen Umweltschutz- und Tierwohlauflagen aus der Landwirtschaft geht seit Jahren. Die Situation ist komplex, ich weiß, aber dann sollen sie doch mal auf die zeigen die Schuld haben - und es ist nicht (nur) die aktuelle Bundesregierung.

Der Reihe nach. Das ZDF Format ist durchaus kritikwürdig und dieser Beitrag auch nicht unbedingt die Krone des Journalismus. Aber er zeigt hier ein Problem auf: fehlende Transparenz.

Der Landwirtschaft werden die Preise von den großen Handelsriesen quasi diktiert. Das ist scheiße, denn sie haben nun mal Betriebskosten. Alle wollen anständig bezahlt werden, das steht auch den Bauern und ihrem Personal zu. Der Mark will, dass Bauern ihre Böden nachhaltig bestellen, die Natur schonen und Tiere mit Würde behandeln. Und der Staat setzt das mit Gesetzen ja auch irgendwie um. Das alles kostst Geld, dass die Händler nicht zahlen wollen.

Klar wollen die Kunden billige Lebensmittel, wer nicht? Und wenn Milch, Getreide und Eier teurer werden, werden auch die Produkte, in denen das drin ist, teurer (Brot, Joghurt, so ziemlich jedes Fertigprodukt). Darum gibt’s ja auch Subventionen. Nur gehen die nicht an die kleinen Betriebe, die ihr Möglichstes geben um diese idealisierte Vorstellung der Kunden auch umzusetzen - zumindest nicht in dem Umfang wie bei den Großbetrieben, die durch den Marktdruck überhaupt kein Interesse an Nachhaltigkeit oder Tierwohl zeigen (können).

Und da sind wir bei dem Punkt Kommunikation. Im Beitrag wird lamentiert, dass die Landwirte kein Vertrauen mehr in Tierschutzorganisationen und Medien haben. Jo, das haben sie sich aber selbst eingebrockt (Fehlerkultur, Selbstreflektion, Willen Dinge zu ändern). Selbst so ein Beitrag, wie der von besser-esser, wäre die Chance gewesen. Klar werden solche Betriebe keine Hühner-Ferien-Lager sein. Das würde auch keinen wirklich erschrecken, denn wir sind inzwischen gut informiert über die Lebensmittelindustrie als ganzes - und sie ist entzaubert. Wir machen als Kunden Abstriche, wenn wir dinge die bequem sind (Wurst, statt selbst ein Tier töten) tun oder kaufen. No Shame, wir haben alle unsere Päckchen zu tragen und müssen priorisieren.

Nur hätten diese Landwirte anonym die Schuld von sich weisen können. Auf die Verbraucher, die billige Waren wollen (und damit zurecht beschuldigt), oder die Handelsunternehmen, die Bauern immer wieder in die Knie zwingen. Die Chance war da, das Mikro war quasi ins Gesicht gehalten und selbst die Expertin von der Uni hätte in den Chor des Kostendruck mit eingestimmt.

Ja die Bedingungen sind scheiße und würde ich es gern anders machen. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Aber wir bekommen für unsere Arbeit und die Tiere nicht genug Gegenwert um es allen recht zu machen und wir müssen auch von etwas leben.

– ein ehrlicher, anonymer Bauer, wenn er seine Chance auf ein Statement genutzt hätte

Klingt herzzerreißend, aber wäre mir tausend mal lieber, als dass sich Landwirte gegenseitig warnen, wenn Journalisten im Dorf sind. Warum nimmt man das nicht als Gelegenheit um auf seine Missstände aufmerksam zu machen?

Dass sie jetzt die Ampel-Koalition für ihre Probleme verantwortlich machen, ist Bullshit, denn es gab zuvor durchgehend 16 Jahre CDU/CSU Landwirtschaftsminister auf Bundesebene. Dass längst überfällige Umstrukturierungen bei Subventionen jetzt (wegen der Klage der CDU) übers Knie gebrochen werden müssen, ist ungünstig. Aber dass hier irgendwann etwas passieren musste, hätte den Landwirten klar sein müssen - so naiv können sie nicht sein.

Es muss sich viel ändern. Die Bedingungen für kommerzielle Landwirtschaft müssen verbessert werden, aber mit Blick auf die Zukunft der Gesellschaft und des Planeten. Dazu müssen alle Gesellschaftsschichten aber auch Missstände benennen können. Die Bauern haben sich in den letzten Jahren aus meiner Perspektive für diesen Dialog verschlossen und haben mit ihrer Aktion zum 8.1. die Graben vertieft.

Ich habe Landwirte immer bewundert, auch die mit Großbetrieben. Eine Arbeit, die ich nicht tun könnte, wichtig für uns alle und voller Herausforderungen - besonders in Zeiten des Wandels (Tierwohl, Klima, Krisen). Nach dem heutigen Tag bleibt vor allem Skepsis. Skepsis, ob wir die Landwirte ihre Bedeutung und Verantwortung wirklich auch selbst verstanden haben.

Ich erhebe keinen Anspruch auf die ultimative Wahrheit und vielleicht ist meine Interpretation von dem was ich gesehen und gelesen habe falsch. Das könnt ihr mir gern auf Mastodon mitteilen. Ich will Menschen in der Landwirtschaft wirklich respektieren. Sie verdienen es. Aber es ist gerade wirklich schwer.