Aus den Augen, aus dem Sinn.
Abgelegt in: Chemnitz, Gedanken, Politik
Es ist wieder ein Symptom des lange andauernden Generationenkonflikts. Die Chemnitzer Innenstadtbewohner lechzen nach Ordnung und Sicherheit - Wie das in einer vergreisenden Stadt eben so ist. Und wie reagiert das Rathaus? Mit einem Verbot - Wie herrlich mittelalterlich.
Aber ich bin fucking empört und fühle mich diskriminiert!
Konkret werden auf allen Grünanlagen rund um den Wall Glasflaschen, Konsum alkoholischer Getränke und das alkoholisiert sein an sich verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen Platzverweise, deren Verstoß wiederum mit Geldstrafen belegt werden kann.
Um das durchsetzen zu können, wird der Erhalt der Grünflächen vorgeschoben - Ein Taschenspielertrick. Denn dass diese Maßnahme der Konservierung der Grünanlagen kaum dienlich ist, brauch ich sicher nicht lange ausführen.
Überspitzt betrachtet, können die Ordnungsbeamten also auf den Treppen vor der Stadthalle warten, bis jemand betrunken vom Terminal 3 kommt und einen Fuß auf die Wiese setzt. Der bekommt sofort den Platzverweis und bei jedem weiteren Schritt auf der Wiese ist das ein Verstoß gegen den Platzverweis. Klingt doch nach einer sehr einladenden Stadt, oder?
Und ich frage mich auch wie das zum Stadtfest laufen soll. Wenn Ober- und Mittelschicht besoffen vor der Stadthalle versacken ist das dann wohl in Ordnung.
Das ganze läuft als Versuch bis Oktober und soll dann überprüft werden. Aber was soll da am Ende raus kommen? „Es gab einen Anstieg der Platzverweise – dann müssen wir die Maßnahme fortführen.“ „Es gab keine Probleme – da war die Maßnahme ja erfolgreich und wir können sie fortführen.“
Ich verstehe ja, dass sich viele Leute besonders im Bereich des Rewe Markts von den dort anzutreffenden Personen belästigst fühlen. Ich nehme mich da nicht aus. Allerdings bringt es uns nicht weiter diese Personen aus der Stadt zu verdrängen. Hier wird ein Problem konstruiert, dass seine Wurzel an ganz anderer Stelle hat.
Und haben wir mit dieser verfluchten Polizeiverordnung nicht schon ausreichend restriktive Mittel an der Hand, um diese Menschen zu verscheuchen? Ganz davon abgesehen, dass die baulichen Gegebenheiten enorm zu der Situation beitragen?
Dazu ein Beispiel: Der vor kurzem neu errichtete Spielplatz an der Zentralhatestelle am Ende des Walls zeigt, wie Bebauung einen Ort verändert. Vorher mit Hecken umzäunt, war die von Außen schwer einsehbare Fläche lange Treffpunkt für o.g. Klientel. Durch die Umgestaltung zu einer offenen Fläche ist eine familienfreundliche Anlage entstanden.
Ich fühle mich als junger Mensch diskriminiert. Bier (Kulturgut) und Freunde in einer Parkanlage bedeuten für mich Erholung. Die Freiheit Vieler wird wegen einer Minderheit beschränkt. Ich kann nur schwer glauben, dass das etwas mit Demokratie zu tun hat. Runkel und Ludwig schaffen eine Polizeistaat Atmosphäre, in einer Stadt, die es eh schon schwer hat selbst die eigene Bevölkerung für sich zu begeistern (Die Stadt bin ich & Co).
Weil Beschwerdeführer zu alt sind, um ihr Bier im Schneidersitz auf einer Wiese zu trinken, wird das jetzt für alle verboten? Ich sehe keine Gründe warum Kommunalpolitik dem Altersdurchschnitt nicht Rechnung tragen soll, aber mit solchen sinnlosen Aktionen wird nur die Abwanderung von Menschen mit Potential befeuert.
Und zu der brandgefährlichen Idee der Sicherheitspartnerschaft: Ihr wollt tatsächlich Security-Firmen (Vor allem die, die Nazi-Milieu rekrutieren) mit polizeilicher Gewalt ausstatten? Wo habt ihr euren Verstand gelassen?
Ich kann nicht verstehen, wie man derart unreflektiert Politik machen kann. Wenn sich dieser Mist erst etabliert hat, wird er ausgeweitet und Chemnitz setzt den letzten Rest seiner Urbanität aufs Spiel. Mit dieser Maßnahme wird versucht die Symptome von Arbeitslosigkeit ( oder unzeitgemäßen Vorstellungen von Arbeit), verfehlter Bildungspolitik und sozialer Entfremdung zu bekämpfen. Die Wurzeln dieser Probleme können nicht ausschließlich kommunal angegangen werden, aber es ist möglich tiefer gehend zu agieren als mit Verboten – aber das erfordert auch einen entsprechenden Horizont.
Diese Verfügung ist ein weiterer Stein im Kampf gegen eine Stadt in der man gern lebt und alt wird. Ein schleichender Prozess, der von einigen wenigen in der Stadt angetrieben wird. Es wird erst die jungen Menschen treffen. Sie werden sich nicht mehr wohlfühlen und wegziehen. Dann trifft es den Rest, denn wer ist denn dann noch da um zu verkaufen, zu reparieren, zu pflegen, Steuern zu zahlen?
Ich will keinen Kampf der Generationen. Das haben wir doch wirklich nicht nötig. Aber besonders wir verbleibenden jungen Menschen können die Politik nicht länger ignorieren, sonst entscheidet sie weiter über unsere Köpfe hinweg.
Das können wir uns nicht gefallen lassen! Alle raus, zum Drink-In in die Grünanlagen!
Nach Feierabend, gleich vor die Stadthalle, bis in die Nacht – Leben wie in einer echten Großstadt.
…Bevor es zu spät ist und wir unser Bier im Alaunpark trinken müssen (Da gibt’s kein Reichenbrander – Buuuh!).