Journalismus ist unbezahlbar
Abgelegt in: Gedanken, Politik
Ich wäre absolut bereit Geld für Medien auszugeben, die ich täglich konsumiere. Z. B. Heise, Golem, Mobiflip, Cashys Blog, etc. Aber ich tue es nicht, weil ich die Preise zum großen Teil überzogen finde und die Infrastruktur ein hoffnungsloses Meer von Insellösungen ist.
Werfen wir erst mal einen Blick auf Medien, die ich regelmäßig besuche:
Medium | Preis/ Monat |
---|---|
Zeit | 22,40€ |
Freie Presse digital | 15€ |
Heise | 13€ |
Golem | 3–5,50€ |
Mobiflip | 2€ |
Cashys Blog | nur werbefinanziert |
Promobricks | nur werbefinanziert |
Golem ist mal mit 2,50€ gestartet. Selbst die 2€ für Mobiflip sind meiner Meinung nach schwierig (dazu später mehr).
Als Krautreporter gegründet wurde, war ich ein paar Jahre dabei, habe aber aus finanziellen Gründen das Abo beendet. Inzwischen sind sie auch bei 7€ im Monat. Mit ihren oft sehr ausführlichen Beiträgen steht auch die Qualität nicht in Frage und ich mag das Projekt auch immer noch sehr.
Aber warum finde ich die Preise alle zu hoch?
Bei der Tageszeitung „Freie Presse“ in Chemnitz kostet das Papier+digital Abo 31€/Monat, nur digital 15€. Würde ich mich also (wie in den 70ern oder so) nur aus einer Quelle informieren, nehme ich demnach großzügig Kosten von 31€ an.
Ich lese aber via RSS Feeds und Twitter/Mastodon viele Medien über den Tag/Monat. Mit den aktuell aufgerufenen Preisen der Medien (in der Tabelle) sind wir schon weit über dem Budget. Und dann konnte ich noch nicht mal was abzwacken für die, die nicht in der Liste waren. Kleine Blogs (oder Blogs ohne Abos), Unabhägige Autorïnnen, Fotografïnnen, Recherche-Netzwerke, Witzbildmalerïnnen, you name it.
Wenn alle nur 2€/mo verlangen würden, bleibt vom Budget schon mehr übrig. Große Häuser wie Heise, Spiegel oder Zeit können von 2€ nicht leben? Wie viel erhalten sie denn über die Werbung (oder unsere Daten) auf ihren Websites? Und wie viel kommt davon an, wenn ich einen Adblocker zum Selbstschutz nutze?
2€ senken die Hemmschwelle für Journalismus Geld auszugeben ungemein und dann macht es bei den großen Häuser auch die Masse. Sich selbst mit Adblocker schützende Menschen würden sicher gern für ihr schlechtes Gewissen zahlen, wenn der Preis stimmt.
Warum ich aber selbst mit 2€/mo Bauchschmerzen habe? Ich will nicht nur den bereits etablierten Medien Geld für ihre Arbeit geben, sondern auch denen die sich im Moment nur von Werbung ernähren, noch am Anfang stehen oder weniger hohe Schlagzahlen beim Output haben (siehe oben). Und damit steigt die Anzahl. Ich kann mit meinen 30€ also 15 oder 30 Medien supporten. Was wär euch lieber, für die Vielfalt?
Aber ich habe auch gar keine Lust, mir zig Accounts anzulegen und überall einzeln zu zahlen. Ich will einen zentralen Dienst, wo ich die Medien auswähle. Der mir persönliche RSS Links mit Volltextartikeln bereitstellt. Der mir einen Link bereitstellt, der auf der Seite des Mediums einen Cookie anlegt, welcher dafür sorgt, dass Tracking und Werbung entfernt werden. Der mein Geld nimmt, an die Medien verteilt und ihnen Möglichkeiten gibt, die Auszahlung zu steuern. Bei dem ich auch für bestimmte Medien einen höheren Anteil festlegen kann. Oder durch ein einfaches Klick-Tracking Anteile nach meiner Menge an Aufrufen einzelner Medien verteilen. (Wisst ihr noch: flattr?)
Eine Genossenschaft (1 Mitglied == 1 Stimme), bei der die Medien eintreten, um am System teilzunehmen und gemeinsam die Geschicke dieses Dienstes zu lenken. Eine Genossenschaft, damit die wenigen Großen, die Kleineren nicht übervorteilen.
Aber neben meinem fiktiven Budget für „Presse“, laufen da ja noch Abos für Amazon, Netflix, Nebula und was die Leute heute sonst noch an Medienkonsum finanzieren. Dort gibt es auch keine Sozialtarife für ökonomisch Schwache. Denn die werden sich kein Zeit oder FP Abo für 20 oder 30€ im Monat leisten können, um nicht vom Weltgeschehen ausgeschlossen zu sein. Wir haben zum Glück noch einen, trotz aller berechtigter Kritik, recht guten öffentlichen Runfunk. Aber im schlimmsten Fall bekommen finanzschwache Menschen ihre Informationen nur aus den Überschriften, aus unseriösen Quellen wie dem Springer Verlag oder potentiell gefährlichen Telegram Gruppen.
Wir haben jetzt 10 Jahre zugesehen wie Verlage und Blogs versuchen ihre Arbeit direkt von den Lesenden bezahlen zu lassen. Wir haben einen Werbemarkt, der aggressive, zweifelhafte bis hin zu gefährlichen Werbebeiträgen über diese Seiten ausspielt. Wir werden inzwischen gezwungen Daten überuns preis zu geben, wenn wir nicht zahlen wollen (oder uns technisch zur Wehr setzen). Wir haben einen Zoo voll nicht interoperabler Insellösungen und zum Teil aberwitziger Preisgestaltung.
Es wird Zeit, das alles mal kritisch zu hinterfragen und neue Wege zu suchen. Wir höen seit Jahren, dass für Journalismus niemand bezahlen will. Ich halte das für eine Lüge. Die Preispolitik, vor allem der großen Verlage zeigt, dass sie noch nicht im hier und jetzt angekommen sind. Das Problem ist der Preis und der Komfort diesen zahlen zu können in einer Welt, in der die Menschen sich bei mehr als einer Quelle informieren.